„Celine du Kreditrakete!“
Niemand, wirklich niemand sollte sich dafür rühmen oder clever fühlen, weil er sich zu besonders günstigen Konditionen verschuldet hat. Erst recht nicht, wenn anschließend dafür ein nagelneuer Grill oder sonstige Konsumgüter angeschafft werden. Es ist für mich vollkommen absurd, aber auch ich habe schon miterlebt, wie Personen sich gegenseitig hochgeschaukelt haben, wie günstig ihr Kredit war und wie einfach sie sich dadurch die neue Küche oder das neue Auto „leisten“ konnten. Aber können sie es sich dadurch wirklich leisten oder reden sie sich das nur im Kanon mit den Kreditgebern ein?
„Wenn du es dir nicht zweimal kaufen kannst, kannst du es dir nicht leisten.“
(Jay Z)
Der erfolgreiche Musiker Shawn Corey Carter alias Jay Z sieht das vollkommen anders. Für ihn und für mich ist es absoluter Blödsinn zu glauben, man könnte sich etwas leisten, indem man einen Kredit aufnimmt. Du kannst es dir damit nicht leisten – zumindest nicht im Hier und Jetzt. Du kannst es zwar kaufen aber leisten kannst du es dir erst, wenn du in der Zukunft dafür weiter geschuftet hast, um die Verpflichtungen, die du im Hier und Jetzt eingegangen bist, abzuzahlen. Du schließt somit nicht nur einen Vertrag mit deinem Kreditgeber, sondern auch mit deinem zukünftigen Ich. Und dem sagst du damit freudig: „Hey, zukünftiges Ich. Ich weiß, du würdest eigentlich gerne weniger hart arbeiten müssen und eigentlich wolltest du dich auch um deine Altersvorsorge kümmern und könntest das Geld gerade dringend an anderer Stelle gebrauchen. Aber du hast doch sicherlich Verständnis dafür, dass ich mir heute gerne diese neue Küche kaufen möchte.“
Natürlich ist ein günstiger immer noch besser als ein teurer Kredit, aber jeder Kredit für zusätzlichen Konsum ist ein Klotz an deinem Bein. Ihr habt sicherlich noch das Bild aus der Weihnachtsgeschichte im Kopf, wo der alte Marley mit schier endlosen Ketten an seinen Händen und Füßen durch die Gegend wandelte. Exakt ein solches Bild könnte man auch mit Konsumkrediten zeichnen. Du konsumierst im Hier und Jetzt auf Kosten deiner Zukunft.
Für mich eine vollkommen surreale Vorstellung. Strebe ich doch mit meinem Handeln Tag für Tag danach, unabhängiger von Geld und monetären Verpflichtungen zu werden und irgendwann auch die finanzielle Freiheit zu erreichen. Gleichzeitig handelt aber ein Großteil der Bevölkerung komplett konträr und finanziert und kauft, was nicht bei drei auf dem Baum ist. Aber warum ist das eigentlich so?
„Das haben wir uns verdient …“
Und damit kommen wir direkt zur zweiten Werbung. „Das habe ich mir verdient“, sagen sich so viele Menschen, wenn sie nach getaner Arbeit abends nach Hause kommen, erschöpft auf die Couch fallen und sich dann nochmal was gönnen.
Zur Auswahl steht dann:
- Stumpfe Berieselung durch TV und Co., um den Stress des Tages zu vergessen.
- Ungesunde und schnelle Mahlzeiten, hauptsache es ist lecker und man muss sich hier nicht noch am Abend zu sehr stressen oder gar einschränken.
- Oder Online-Shopping von zusätzlichen und eigentlich total unnötigen Konsumgütern. Schlicht als Kompensation für all die harte Arbeit. Man muss sich eben auch mal was gönnen.
Aber muss man das wirklich und tut man mit solchen Impuls- und Frustkäufen nicht exakt das Gegenteil? Schmiedet man nicht damit an seiner eigenen Kette für die Zukunft, anstatt sich was zu gönnen? Denn was gönnt man sich hier wirklich? Die kurzfristige Genugtuung? Das kurzfristig gute Gefühl, für die harte Arbeit sich auch „belohnen“ zu können?
Dieser Gedanke, „das haben wir uns verdient“, ist so ziemlich der gefährlichste überhaupt. Denn wer in einer solchen Philosophie stets alles raushaut, was am Ende des Monats noch übrig geblieben ist wird irgendwann auch mal an den Punkt kommen, dass am Ende des Monats nichts mehr übriggeblieben ist, und dann stellt sich die Frage, wie man damit umgeht:
- Akzeptiert man, dass man sich scheinbar diesen Monat nichts weiteres mehr „verdient hat“?
- Kauft man nun auf Rechnung?
- Oder macht man sich überhaupt keine Gedanken mehr und bestellt einfach so lange, bis sich die Bank oder die Kreditkartenfirma melden?
2. und 3. führen direkt in eine Spirale, aus der es nur schwer ist, irgendwann wieder herauszukommen. Denn dieser Weg ist dann vor allem mit einer Sache verbunden: Konsumverzicht. Denn an einen höheren Standard gewöhnen wir uns nur allzu gerne und schnell. Die finanzielle Freiheit und ein finanziell sorgenfreies Altwerden verschwinden damit aber in weite Ferne.
Solange Kreditverpflichtungen noch vertragsgemäß eingehalten werden, hat dies erst einmal keine negativen Auswirkungen – in der Regel sogar eher positive – auf deine SCHUFA. Aber sollten die ersten Raten oder Rechnungen „vergessen“ worden sein, zieht auch das Konsequenzen nach sich.
„Mein Haus, mein Auto, mein Boot…“
In Gesprächen mit vielen Menschen habe ich immer wieder gespürt, dass es vor allem der gesellschaftliche Druck war, der sie zu übersteigertem Konsum verleitet hat. Freunde haben sich ein neues Auto gekauft, ihr erstes Haus gebaut, eine viel schönere, moderne Küche oder eben in jungen Jahren schlicht das neuste Handy, die bessere Spielekonsole und die krassesten Skins im Onlinegame.
„Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit.“
(Søren Kierkegaard)
Statt uns zu fragen, wer das dickste Auto fährt, das beste Handy hat oder die coolsten Schuhe trägt wäre „brauche ich das wirklich“ die viel sinnvollere Frage auf dem Weg zur nächsten Konsumentscheidung. Es gibt in diesem Zusammenhang eine ganze Reihe von effektiven Strategien, um den eigenen Konsum zu zügeln, aber das für mich effektivste ist, die eigenen Ziele zu kennen und sich zu fragen, ob das, was man tut, was man sich wünscht und was man sich kauft, einen in irgendeiner Weise diesen Zielen näherbringt. Oder ob es doch nur zur Befriedigung des eigenen Egos dient. Der passendste Spruch dazu kommt wohl aus dem Film Fight Club: "Von dem Geld, das wir nicht haben, kaufen wir Dinge, die wir nicht brauchen, um Leuten zu imponieren, die wir nicht mögen.“
Wer statt überproportional zu konsumieren, lernt mit seinem Geld zu haushalten und es im Idealfall auch noch möglichst früh im Leben breit gestreut über Aktien-ETFs am Kapitalmarkt investiert, wird dafür früher oder später überproportional belohnt werden und präventiv solchen negativen Konsumspiralen entgehen können. Aber am Ende ist es alles deine Entscheidung und dank unserer Medien und Werbung auch dein täglicher innerer Kampf, denn die Verlockungen warten nur darauf, dir deine langfristigen Träume zu zerstören.