Deutlich mehr Verbraucherinnen und Verbraucher stellten 2021 einen Antrag auf Löschung des Eintrags zur Restschuldbefreiung. Wie können Sie sich die Ursache dafür erklären?
Professor Dr. Papier: Da kann man eigentlich nur gewisse Vermutungen aufstellen. Die erste allgemeine Vermutung ist die, dass das Ombudsmannverfahren bei der SCHUFA in der Öffentlichkeit, also im Kreise der Verbraucherinnen und Verbraucher, immer bekannter wird. Zu Anfang war es wahrscheinlich noch relativ unbekannt, denn keine der im Wettbewerb stehenden Auskunfteien verfügt über ein solches Ombudsmannverfahren. Es ist ein Alleinstellungsmerkmal der SCHUFA. Konkret ausgedrückt wird man dann möglicherweise eine Ursache darin sehen können, dass einige Gerichte jetzt speziell in Bezug auf den Eintrag der Restschuldbefreiung eine wesentliche Korrektur vorgenommen haben. Und zwar ist das das Oberlandesgericht Schleswig, genau genommen der 17. Zivil-Senat, aber auch das Verwaltungsgericht Wiesbaden: die haben kurzerhand die bisher geltende Drei-Jahres-Frist der Speicherung des Eintrags der Restschuldbefreiung verkürzt auf sechs Monate. Das ist natürlich ein ganz beachtlicher Schritt.
Wie lange sollte nach Ihrem Verständnis die Restschuldbefreiung im Schufa Datenbestand gespeichert sein?
Professor Dr. Papier: Für die SCHUFA und die für sie geltenden Speicherfristen ist die vom Oberlandesgericht Schleswig in dieser Entscheidung - jetzt mal beispielhaft - angenommene Heranziehung der Verordnung über die öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren keineswegs maßgeblich.
Es geht hier nicht um die Speicherung in öffentlichen Registern, die für jedermann zugänglich sind, sondern es geht um die um die Speicherung in privaten Datenbeständen, die nur von bestimmten Gläubigern abgerufen werden können, die ein berechtigtes Interesse an dieser Information haben.
Und deshalb ist hier ganz eindeutig der sogenannte „Code of Conduct“ Löschungsfristen maßgeblich. Das ist ein gemeinsamer Verhaltenskodex der mit diesen Fragen befassten Auskunfteien, die auf der Basis der europäischen Datenschutzgrundverordnung eben eine Selbstregulierung beschlossen haben, und zwar mit Zustimmung der Datenschutzbehörden. Und dieser Verhaltenskodex geht eben wie schon bisher von einer dreijährigen Löschungsfrist aus.
Das ist für die SCHUFA maßgeblich und die SCHUFA vertritt eben die meines Erachtens richtige Rechtsauffassung, dass die Verordnung oder der Rechtsgedanke dieser Verordnung in Bezug auf die öffentlichen Register nicht herangezogen werden kann. Die Interessenlage ist eine ganz andere, und deshalb ist diese Heranziehung der besagten Verordnung durch das Oberlandesgericht Schleswig auch in meinen Augen rechtlich nicht zu billigen.
Nach welchen Kriterien lässt sich die SCHUFA bei der Speicherung der Restschuldbefreiung leiten?
Professor Dr. Papier: Es geht letztlich doch darum, dass die SCHUFA gehalten ist, auf Antrag auf Begehren von Gläubigern hin eine Auskunft über die Kreditwürdigkeit eines Verbrauchers oder einer Verbraucherin zu geben. Und hier wird man doch klar sagen müssen, dass Schuldner zum Zeitpunkt ihrer Restschuldbefreiung vermögenslos beziehungsweise zahlungsunfähig waren.
Andernfalls hätten sie die Restschuldbefreiung nicht erhalten. Und es gibt auch valide Untersuchungen oder valide Erkenntnisse, dass die Gefahr einer weiteren Überschuldung in den nächsten sieben Jahren nach einer Restschuldbefreiung durchaus besteht. Man muss also sehen, dass die Informationen der Schufa an ihre Vertragspartner, also an die kreditgebende Wirtschaft, sage ich mal etwas kurzgefasst, dass diese Informationen nur dann für Kreditgebende, aber auch für die Kreditnehmer einen Sinn geben.
Und überhaupt nur zu legitimieren sind, wenn sie vollständig sind, wenn sie wahrheitsgemäß und wenn sie verlässlich sind. Nur im Ausnahmefall, wenn es um die Abwehr unbilliger Härte geht, wenn also das auch rechtlich geschützte Interesse der Verbraucher oder der Verbraucherinnen im Ausnahmefall überwiegend für die vorzeitige Löschung spricht, kann die SCHUFA und kann der Ombudsmann der SCHUFA hier eingreifen und von dieser Regel „Löschungsfrist von drei Jahren“ absehen.
Kann man also sagen, dass die längeren Löschfristen von drei Jahren auch ein Mittel des Verbraucherschutzes sind vor weiterer Überschuldung?
Professor Dr. Papier: Das ganze Auskunftssystem, das Informationssystem der SCHUFA verfolgt ja mehrere Zwecke: Einerseits den Schutz der Wirtschaft, der Kreditwirtschaft, der gewissermaßen „vorleistenden“ Wirtschaft, die natürlich ein berechtigtes Interesse hat, Näheres über die Kreditwürdigkeit ihres Kunden oder ihrer Kundin zu erfahren.
Aber es dient eben gerade auch den Verbrauchern selbst! Einmal dergestalt, dass sie auf diese Weise ein Geschäftsmodell angeboten bekommen, in dem der Lieferer, der der Händler oder die Bank, das Kreditinstitut gewissermaßen in Vorleistung tritt. Das wäre ohne ein solches Auskommen gar nicht denkbar: Das ganze Geschäftsmodell, auf dem unser ganzes Wirtschaftssystem mehr oder weniger basiert, würde so nicht laufen können.
Aber es dient eben gerade auch dem Schutz der Verbraucher vor einer Überschuldung. Und da gibt es Untersuchungen, die eindeutig belegen, dass dieses Auskunftssystem, das unter anderem von der SCHUFA dazu beiträgt, dass die Überschuldungsrate gerade in Deutschland relativ gering ist. Das ist ein Verdienst dieses Systems. Das muss man auch immer berücksichtigen. Es dient auch und nicht zuletzt dem Verbraucherschutz vor einer weiteren oder überhaupt vor einer erstmaligen Überschuldung.