
„Meinen Körper in Grenzbereiche zu bringen“: Frank Busemann beim Hochsprung bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta.
Wie hat ihr Umfeld reagiert, als sie gesagt haben: Ich höre auf.
Das war der 31. Mai 2003. Ich habe erst mal für mich entschieden und meine Freundin davon in Kenntnis gesetzt. Eine Stunde später, als es sich immer noch richtig anfühlte, habe ich meinen Vater angerufen – und der hat fast geheult. Das verstand keiner. Warum heult der? Dann hat er gesagt: Frank, das ist der glücklichste Moment meines Lebens. Es waren Freudentränen.
Warum?
Er hat gesagt: Ich bin so froh, dass du vom Sport wegkommst – ohne dich umzubringen. Er hatte nur noch Angst um mich.
War sie berechtigt, weil Sport eine Droge war?
Ja. Ich war felsenfest davon überzeugt, dass ich irgendwann gewinnen werde. Das war unumstößlich.
Sie hatten die Silbermedaille bei den Olympischen Spielen in Atlanta 1996 gewonnen. Ein Jahr später gab’s Bronze bei der WM. Was pusht einen da?
Ich war 21, hatte gerade mal vier Zehnkämpfe absolviert, ein Greenhorn - aber in Atlanta 8.700 Punkte geholt. Das war U23-Weltrekord. Der hielt sogar bis 2022. Da ist es doch völlig klar, dass ich mit 25 Jahren die 9000er-Marke knacke. Weltrekord!
Was hat Sie so sicher gemacht?
Ich hatte eine große Gabe, meinen Körper immer in Grenzbereiche zu bringen. Ich liebte deshalb diesen Wettkampf. Diese zwei Tage, in denen du richtig leidest. Ich mochte das. Und ich war gut darin. Training? Da bin ich sieben Meter weit gesprungen, im Wettkampf waren es acht Meter. Es war mein Lebenselixier.
Und dann war das Lebenselixier weg.
Ja, das war hart. Aber wenn ich jetzt drauf schaue: Ich finde mich ja ziemlich gut.
Was heißt das?
Was ich im Sport erreicht habe, habe ich sauber gemacht.
Sie meinen: Ohne Doping.
Darauf bilde ich mir etwas ein. Ich dachte: Ich mach‘ das ehrlich. Ich gebe alles rein, was ich habe, und nicht, was ich schlucke – und der Sport gibt mir das zurück, was ich verdiene: Gold. So war es nicht ganz. Es war nur Silber. Aber der Sport hat mir andere Dinge mitgegeben. Ich durfte mit der ARD als Leichtathletik-Experte in so viele Städte reisen. Dass ich jetzt Vorträge halten darf vor Managern über die Philosophie des Zehnkampfs. Und das ist das Ergebnis dieser zwei Tage von Atlanta.
Und dass Sie seit 2014 Botschafter der Special Olympics sind.
Ja, weil das ehrlicher Sport ist. Das mag ich einfach.
Leistungssport und Special Olympics: einen größeren Unterschied gibt es ja nicht. Leistungssport basiert auf der Frage: Wer wird Erster? Wer ist besser, schneller? Wenn man so will, ist es eine der härtesten Formen der Diskriminierung.
Ja. Leistungssport ist absolute Weltklasse. Ich ordne dafür das ganze Leben unter. Mein Leistungssport war Schmerz, der mir sogar Freude bereitet hat.