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Mann lächelnd auf einem Sportplatz

Interview mit Frank Busemann: „Ich musste einsehen: Ich werde nie mehr Olympiasieger“

Olympia-Silber, WM-Bronze, nie Gold: Vor 20 Jahren hat Zehnkämpfer Frank Busemann seine Karriere beendet. Unvollendet, aber heute mit sich im Reinen. Das Interview über Grenzbereiche des Körpers und die Leichtigkeit der Special Olympics.

Hacheney ist ein Stadtteil im Süden von Dortmund. Hier hat die Leichtathletikgemeinschaft Olympia Dortmund ihr Stadion. Es ist der Heimatverein von Frank Busemann. Immer geblieben. Auch wenn er später für Bayer Leverkusen startete. Der Silbermedaillen-Gewinner bei den Olympischen Spielen von Atlanta 1996 parkt vor der Geschäftsstelle der LGO, gut gelaunt steigt er aus dem Auto, wir verziehen uns ins Dachgeschoss. Seit 2014 ist Frank Busemann Botschafter für die Special Olympics. Die SCHUFA ist Partner der Special Olympics.

SCHUFA: Vor genau zwanzig Jahren haben Sie Ihre Karriere als Zehnkämpfer beendet. Sie schreiben in Ihrer Autobiografie „Aufgeben gilt nicht“, dass Sie „ein Wrack“ waren, „zerstört für den Zehnkampf“. Wie geht es Ihnen heute?

Frank Busemann: Genau heute beschissen. Ich habe Rücken, weil ich jetzt zwei Wochen keinen Sport gemacht habe – und das merke ich. Wenn ich einroste, dann meldet sich mein Körper. Ich muss also immer etwas tun.

Machen Sie noch viel Leichtathletik?

Ja. Ich bin jetzt 48 und topfit – auch wenn ich heute Rückenschmerzen habe. Es ist von meinen vielen Verletzungen nichts übriggeblieben.

Wie geht das? Wenn Sie heute vor Manager:innen Vorträge halten, dann beschreiben Sie immer ein normales Verletzungsjahr während Ihrer Karriere so: Januar Knochenhautreizung und Wirbelblockade. Februar Schleimbeutelentzündung. März Achillessehnenreizung. Mai Hüft- und Knieschmerzen.

Das waren alles nur Kleinigkeiten. Meine ganze Karriere ist immer so abgelaufen, dass ich immer gut vorbereitet, gut drauf war. Und kurz vor dem Höhepunkt passierte es.

Mann hält Medaille

Zur Person: Frank Busemann

Geboren: 26. Februar 1975 in Recklinghausen

Sportliche Erfolge: Frank Busemann holte bei den Olympischen Spielen von Atlanta 1996 die Silber-Medaille im Zehnkampf – mit 8706 Punkten hinter dem US-Amerikaner Dan O’Brian. Ein Jahr später, bei der Leichtathletik-WM in Athen, holte er Silber im Zehnkampf. Er absolvierte in seiner Karriere insgesamt zwölf Zehnkämpfe. Bei den Olympischen Spielen in Sydney 2000 wurde er Siebter. 2001 absolvierte er seinen letzten Zehnkampf in Ratingen – ehe er im Mai 2023 seine Karriere beendete.

Karriere nach dem Sport: Nach dem Ende seiner Leichtathletik-Laufbahn stieg er 2003 sofort als Co-Kommentator bei der ARD ein und begleitet jede große Leichtathletik-Veranstaltung. Zudem hält er Vorträge und Seminare. Seit 2014 ist er Botschafter der Special Olympics.

Bücher: Er verfasste die Werke „Aufgeeben gilt nicht“ (2003), „Zehnkampf-Power für Manager“ (2004), „Neun Monate – Aus dem Leben eines Ahnungslosen“ (2009), „Mach’s doch einfach. Das Buch für den Erfolg“ (2017).

Was?

2000 standen die Olympischen Spiele in Sydney vor der Tür. Ich war qualifiziert. Ich musste nur noch gesund dorthin kommen. Auf einmal hatte ich Fußschmerzen. Ich ging zum Doc, der sagte nur: Ermüdungsbruch im Fuß. Das ist dein Todesurteil.

Sydney war gestorben.

Ich habe meine Eltern angerufen und in den Hörer geschrien: Warum ich!? Warum zum Teufel immer ich!? Was habe ich bloß getan, dass ich immer auf dem Weg zum Erfolg ausgebremst werde. Ich habe dann wie ein Wilder Aqua-Jogging gemacht, mein letzter Strohhalm. Sechs Wochen vor so einem Höhepunkt mach ich als Leichtathlet Wasser-Jogging: Gift! Pures Gift für Schnellkraftsportler!

Hat Aqua-Jogging etwas gebracht?

Ich bin im letzten Moment in den Flieger nach Sydney gestiegen, hatte aber null Chance mit dieser Vorbereitung. Ansonsten hatte ich viele Verletzungen – aber nicht so schlimm. Und irgendwann heilt das alles schmerzfrei aus. Ein Wunderwerk, dieser Körper!

Was treibt einen an als Leistungssportler, sich immer wieder diesen Verletzungen zu widersetzen?

Solange ich wusste: Ich kann nochmal Weltmeister und Olympiasieger werden, ich kann noch einen Weltrekord aufstellen – so lange hat es sich für mich gelohnt. Ich hatte in zwei Jahren mal acht Operationen. Das war wie zum Zahnarzt gehen. Gehste schnell mal hin, Vollnarkose, aufgeschnitten, zugenäht, dann torkelste ins Auto, deine Frau fährt dich heim. Aber egal. Ich war noch nicht Olympiasieger! Als ich dann einsehen musste, dass der Körper nicht unbegrenzt belastbar ist und ich auf ihn aufpassen muss, war das ein Schock.

Was ist in dem Moment passiert, als Sie beschlossen haben, auf Ihren Körper aufzupassen und aufzuhören?

Extreme Situation.

Warum?

Ich habe mich abgeschottet das erste halbe Jahr. Ich habe alles weggebissen, was mich liebte. Ich war komplett unzufrieden mit allem. Es war keine gute Zeit.

Was hat Sie gerettet?

Ich habe während meiner Karriere immer geschrieben. Ich wollte den Weg zu Goldmedaillen und Weltrekorde begleiten mit einer Art Tagebuch. Während des Schreibens war ich sehr ehrlich zu mir und musste einsehen: Ich werde nie mehr Olympiasieger oder einen Weltrekord aufstellen. Aber ich habe während des Schreibens auch gesehen: Ich kann mir nichts vorwerfen. Ich habe keinen einzigen Punkt liegen gelassen und leichtfertig verschenkt. Dieser Moment war eine Befreiung.

Mein Vater hat gesagt: Ich bin so froh, dass du weggekommen bist vom Sport – ohne dich umzubringen.
Frank Busemann

Mann macht einen Hochsprung

„Meinen Körper in Grenzbereiche zu bringen“: Frank Busemann beim Hochsprung bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta.


Wie hat ihr Umfeld reagiert, als sie gesagt haben: Ich höre auf.

Das war der 31. Mai 2003. Ich habe erst mal für mich entschieden und meine Freundin davon in Kenntnis gesetzt. Eine Stunde später, als es sich immer noch richtig anfühlte, habe ich meinen Vater angerufen – und der hat fast geheult. Das verstand keiner. Warum heult der? Dann hat er gesagt: Frank, das ist der glücklichste Moment meines Lebens. Es waren Freudentränen.

Warum?

Er hat gesagt: Ich bin so froh, dass du vom Sport wegkommst – ohne dich umzubringen. Er hatte nur noch Angst um mich.

War sie berechtigt, weil Sport eine Droge war?

Ja. Ich war felsenfest davon überzeugt, dass ich irgendwann gewinnen werde. Das war unumstößlich.

Sie hatten die Silbermedaille bei den Olympischen Spielen in Atlanta 1996 gewonnen. Ein Jahr später gab’s Bronze bei der WM. Was pusht einen da?

Ich war 21, hatte gerade mal vier Zehnkämpfe absolviert, ein Greenhorn - aber in Atlanta 8.700 Punkte geholt. Das war U23-Weltrekord. Der hielt sogar bis 2022. Da ist es doch völlig klar, dass ich mit 25 Jahren die 9000er-Marke knacke. Weltrekord!

Was hat Sie so sicher gemacht?

Ich hatte eine große Gabe, meinen Körper immer in Grenzbereiche zu bringen. Ich liebte deshalb diesen Wettkampf. Diese zwei Tage, in denen du richtig leidest. Ich mochte das. Und ich war gut darin. Training? Da bin ich sieben Meter weit gesprungen, im Wettkampf waren es acht Meter. Es war mein Lebenselixier.

Und dann war das Lebenselixier weg.

Ja, das war hart. Aber wenn ich jetzt drauf schaue: Ich finde mich ja ziemlich gut.

Was heißt das?

Was ich im Sport erreicht habe, habe ich sauber gemacht.

Sie meinen: Ohne Doping.

Darauf bilde ich mir etwas ein. Ich dachte: Ich mach‘ das ehrlich. Ich gebe alles rein, was ich habe, und nicht, was ich schlucke – und der Sport gibt mir das zurück, was ich verdiene: Gold. So war es nicht ganz. Es war nur Silber. Aber der Sport hat mir andere Dinge mitgegeben. Ich durfte mit der ARD als Leichtathletik-Experte in so viele Städte reisen. Dass ich jetzt Vorträge halten darf vor Managern über die Philosophie des Zehnkampfs. Und das ist das Ergebnis dieser zwei Tage von Atlanta.

Und dass Sie seit 2014 Botschafter der Special Olympics sind.

Ja, weil das ehrlicher Sport ist. Das mag ich einfach.

Leistungssport und Special Olympics: einen größeren Unterschied gibt es ja nicht. Leistungssport basiert auf der Frage: Wer wird Erster? Wer ist besser, schneller? Wenn man so will, ist es eine der härtesten Formen der Diskriminierung.

Ja. Leistungssport ist absolute Weltklasse. Ich ordne dafür das ganze Leben unter. Mein Leistungssport war Schmerz, der mir sogar Freude bereitet hat.

Special Olympics bietet die Möglichkeit, sich zu messen – aber ohne diesen Druck.
Frank Busemann

Mann lächelnd mit Mikrofon in der Hand

„Das Ergebnis dieser zwei Tage von Atlanta“: Frank Busemann kommentiert die wichtigsten Leichtathletik-Ereignisse für die ARD.


Und der Sport bei den Special Olympics?

Das ist Spaß, Freude, das ist Sport pur. Die Vorfreude, der Wettkampf. Deshalb sind die Special Olympics als Institution so wichtig. Es gibt die Möglichkeit, sich zu messen – aber ohne diesen Druck. Ohne: Du musst Gold holen. Ohne: Du musst deinen Lebensunterhalt damit verdienen. Bei den Special Olympics ist es für die Teilnehmer einfach die Bestätigung: Ich kann was! Hier kommt der Sport zu sich selbst. Und dann gibt’s eben mal eine Niederlage. Scheiße! Damit gehen Menschen mit geistiger Behinderung dann aber auch wieder ganz easy um.

Ist das: Ehrgeiz ohne Druck?

Ja, die Athlet:innen der Special Olympics brennen für etwas. Aber wenn jemand anderes gewinnt, dann freuen sie sich fast genau so, als hätten sie selbst eine Medaille geholt.

Was können wir also von den Special Olympics lernen?

Begeisterung. Sich für einen Moment auf das konzentrieren, was einem wichtig ist: Sport. Im Hier und Jetzt mit sich im Reinen zu sein.

Was kann die Gesellschaft von Special Olympics lernen?

Ängste abbauen, Grenzen abbauen. Es ist doch ein typisches Problem unserer Gesellschaft: Bevor ich einen Fehler mache, mache ich lieber gar nichts. Die Special Olympics aber zeigen: Es gibt keine Fehler, wenn man zusammenkommt und ganz offen umgeht mit dieser Fehlbarkeit. Dass Kleinigkeiten das Leben bereichern können und nicht, dass man immer in Superlativen denkt. Dieses: Bevor wir nicht eine neue Bestleistung erreicht haben, ist der Tag Scheiße. Nein, ist er nicht. Das musste ich als Leistungssportler auch lernen. Nicht mehr unzufrieden zu sein, wenn man mal keine Bestleistung aufgestellt hat. Ein schöner Weitsprunganlauf kann auch befriedigen. Das sind die Voraussetzungen für Inklusion. Diese Leichtigkeit. Diese Freude in Sportklamotten. Hier wird die Wichtigkeit des Lebens dargestellt: Freude, Fokus, Zuversicht.

Weitere Informationen

zu den Special Olympics

Menschen umarmen sich freudig

SCHUFA ist Partner von Special Olympics Deutschland

Alle Infos rund um den Veranstaltungsort, die Programmübersicht und Geschichte zu den Special Olympics, finden Sie hier.

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