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Ein Jahr Ukraine-Krieg: „In einem riesigen Graubereich sind Sanktionen wirkungslos“

Seit dem Angriff auf die Ukraine wurden die Sanktionen gegen Russland massiv verschärft: Halten sich die deutschen Unternehmen daran? SCHUFA-Expertin Grit Bantow im Interview.

SCHUFA: Seit einem knappen Jahr hat die EU massiv Sanktionen gegen Russland verhängt. Ist das Thema für deutsche Unternehmen denn noch relevant?

Grit Bantow: Aber sicher. Wir erleben eine stetige Verschärfung der Sanktionen, deren Anfänge sogar bis 2014 reichen, nachdem Russland die Krim annektiert hat. Der Personenkreis, mit denen heimische Unternehmen keinen Handel treiben dürfen, wird immer größer. Allein die USA haben inzwischen 70 Sanktionsprogramme gegen rund 9.000 Personen aus Russland verhängt. Auch wird der Handel zunehmend eingeschränkt, wie zum Beispiel durch das Rohöl-Importverbot, das im Dezember 2022 in Kraft trat. Die EU hat am 25. Februar bereits das 10. Sanktionspaket gegen Russland beschlossen. Hinzu kommt, dass die EU ihre Sanktionen auch gegen Mitglieder des iranischen Regimes deutlich verschärft.

Zur Person: Grit Bantow

Frau lächelnd vor Holzwand

Grit Bantow ist Leiterin New Business der SCHUFA Holding AG. New Business umfasst bei SCHUFA Lösungen rund um die effiziente Erfüllung gesetzlicher Anforderungen. Dazu zählt die Geldwäscheprävention mit dem Fokus vor allem auf der sicheren Identifizierung und Einhaltung der gesetzliche Anforderungen im Know-Your-Customer-Prozess, bekannt unter der Abkürzung KYC, aber auch die Einhaltung von Sanktionen und die Erfüllung von Berichtsanforderungen zur EU-Taxonomie.

Werden die Sanktionen auch umgesetzt?

Da muss man unterscheiden. Direkte Sanktionen gegen einzelne Personen und Organisationen werden sehr wirkungsvoll umgesetzt. Die Regeln sind einfach zu befolgen, mögliche Strafen erheblich. Völlig anders sieht es bei dem sogenannten mittelbaren Bereitstellungsverbot aus.

Was ist dabei anders?

Es geht hier um Fälle, in denen mit Unternehmen und Organisationen Geschäfte gemacht werden, die nicht auf der Sanktionsliste stehen – die aber sehr wohl im Besitz sanktionierter Personen sind. Auch das ist eine Straftat. Dass der FC Chelsea Roman Abramowitsch gehörte und das größte TUI-Aktienpaket auf Alexej Mordaschow entfiel, war hinlänglich bekannt. Es sind ja auch sehr exponierte Oligarchen, die als Nutznießer des russischen Herrschaftssystems gelten. Aber wie steht es um weniger bekannte Anteilseigner oder hochkomplexe Firmengeflechte, bei denen man im Prinzip die Handelsregister zahlreicher Länder durchforsten muss? Hier gibt es einen riesigen Graubereich, in dem die Sanktionen nahezu wirkungslos sind.

Warum werden die Unternehmen nicht stärker in die Pflicht genommen?

Die Überprüfung, ob eventuell gegen ein mittelbares Bereitstellungsverbot verstoßen wird, scheint komplex. Es stellt sich immer die Frage des vertretbaren Aufwands bei der Ermittlung der Eigentümerstrukturen. Viele Unternehmen gehen davon aus, dass die Ermittlung über das Durchforsten internationaler Handelsregister bewerkstelligt werden muss. Vor sechs, sieben Jahren war das gewiss auch noch der Fall, aber heute ist das nicht mehr so. Die SCHUFA stellt aktuell eine Plattform zur Verfügung, die das Durchleuchten auch komplexester Firmenkonstrukte in Echtzeit ermöglicht.

Was sollte die Politik tun?

Ich denke, die Unternehmen könnten durchaus stärker in die Verantwortung genommen werden. Drei Aspekte sind dabei entscheidend. Erstens muss die Wirtschaft sensibilisiert werden. Wir erleben in unseren Infoveranstaltungen zum Thema Sanktionen immer wieder eine erstaunliche Naivität. Gestandene Mittelständler sind vielfach der Auffassung, dass die Russlandsanktionen für sie nicht relevant seien, nur weil sie keine direkten Handelsbeziehungen mit dem Land pflegen. Hier sollten Politik und Behörden gemeinsam mit Verbänden und anderen Partnern für Aufklärung sorgen. Zweitens bedarf es einer sogenannten Wertgrenze: Wenn jemand ein Produkt im Wert von wenigen 100 Euro an ein letztlich sanktioniertes Unternehmen verkauft, sollte das als Bagatelle gelten. Handelt es sich um eine Maschine im Millionenwert, sieht die Sache anders aus. Drittens darf das geltende Zumutbarkeitsgebot nicht länger maßgeblich sein. Die Behörden sollten aus meiner Sicht darauf pochen, dass deutsche Unternehmen konsequent auch den mittelbaren Sanktionsverpflichtungen nachkommen.

Wie kommen die Unternehmen an die notwendigen Informationen, um sich rechtssicher zu verhalten?

Die wesentliche Primärquelle sind die europäischen Transparenzregister. Sie geben Auskunft, wem welche Firma gehört, und helfen Unternehmen wie Ermittlungsbehörden dabei, Firmengeflechte aufzudecken. Vor wenigen Monaten hat der Europäische Gerichtshof die EU-Geldwäscherichtlinie als Rechtsgrundlage der Datenbanken für teilweise rechtswidrig erklärt. Die Auswirkungen sind verrückt: Zahlreiche Regierungen – darunter die Bundesregierung – haben Transparenzregister geschlossen. Marina Pevchick von der russischen Nawalny-Stiftung nennt das Urteil das „größte Geschenk, von dem Putins Freunde träumen können.“ Die EU-Kommission muss die kritisierte Geldwäscherichtlinie nun schnellstens anpassen, was aber sicherlich erst 2024 wirksam wird. Bis dahin sollten die Regierungen den Zugriff auf die Transparenzregister erhalten oder wieder herstellen. Einige Juristen verweisen darauf, dass das EuGH-Urteil den Schritt ermöglicht.

Wie kann die SCHUFA in dieser schwierigen Situation helfen, für Transparenz zu sorgen?

Das Stichwort lautet KYC - Know Your Customer. Der KYC-Prozess zielt vom Gesetz her darauf, Risiken der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ausfindig zu machen, und umfasst das Screening politisch exponierter Personen. Hinzu kommt das Prüfen von Watch- und Blacklisten – also die Sanktionslisten, die im (Anti-Bestechungs- und Anti-Korruptions-Bereich üblich sind. Unsere KYCnow-Plattform ist enorm effizient und kann beispielsweise wirtschaftlich Berechtigte von Unternehmen von Deutschland über Luxemburg, Bahamas, die Jersey Inseln und zurück nachvollziehen. Erst danach kann die Person auf ihre Sanktionierung hin geprüft werden. Die Plattform leistet diesen Prozess in Echtzeit oder auf Knopfdruck. Unternehmen aller Branchen sollten von den Banken lernen: Lösungen wie unsere KYCnow-Plattform bringen schnell Klarheit rund um die Eigentümer- und Kontrollstrukturen. Die Compliance-Prüfung wird damit rechtssicher, Sanktionsvorgaben können verlässlich eingehalten werden.

Anmerkung der Redaktion: Dieser Text wurde aktualisiert, weil das 10. Sanktionspaket gegen Russland, von dem in dem Interview die Rede war, von der EU mittlerweile beschlossen wurde. Diese Information haben wir aktualisiert.

Gut zu Wissen

Was bedeutet KYC?

Know Your Customer (KYC; deutsch: „Kenne Deinen Kunden“) ist ein Oberbegriff, unter den verschiedene Prüfungen und Prozesse fallen, die im Wesentlichen dazu dienen, die Identität eines Kunden festzustellen. Unternehmen, die nach dem Geldwäschegesetz (GwG) zu entsprechenden Prüfungen verpflichtet sind, müssen zum Beispiel die Identität des Geschäftspartners verifizieren, den oder die wirtschaftlich Berechtigten hinter einer Transaktion identifizieren und ihr Gegenüber gegen PEP- und Sanktionslisten abgleichen. Zu den verpflichteten Unternehmen gehören Banken, aber auch Steuerberater, Immobilienmakler und Händler von Gütern und Waren. Die rechtliche Grundlage für die Sorgfaltspflicht, welche eine KYC-Analyse erfordert, ist die 3. EU-Geldwäsche-Richtlinie.

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