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Rechnungen auf dem Boden

„Schulden sind ein großes Tabu“

Inflation und Energiekrise belasten die Haushalte. Wie gehen Menschen damit um, wenn sie auf einmal Schulden haben? Ein Gespräch mit Fabit-Gründerin Susanne Krehl über ein deutsches Tabu, große Geldfallen und die beste Spar-Challenge.

SCHUFA: „Herr Energieversorger, die Energiekrise setzt unserer Familie zu. Wir brauchen unsere Rücklagen auf. Und jetzt auch noch die Abschlagszahlung. Ich bin auf Sie zugekommen, um mit Ihnen zu besprechen, ob wir nicht eine Art zinsloses Darlehen vereinbaren können. Ich will dadurch nicht auch noch meine Bonität bei der SCHUFA verschlechtern.“ Habe ich in dieser Situation alles richtig gemacht, Susanne Krehl?

Susanne Krehl: Die Energiekosten wird man bezahlen müssen. Präventiv ein zinsloses Darlehen zu vereinbaren, dürfte aber schwierig werden. Man sollte aber spätestens dann mit seinem Energieversorger sprechen, wenn man im Rückstand bist. Es ist richtig, das Gespräch zu suchen und über Stundung ausstehender Raten oder zinslose Darlehen zu reden. Das traut sich ja nicht jeder.

Warum tun sich Menschen schwer damit zu sagen: Es reicht nicht?

In Deutschland ist das Thema Geld ein wahnsinniges Tabu. Über Geld spricht man hier nicht – und über Probleme mit Geld schon gar nicht. In anderen Ländern reden die Menschen über ihr genaues Einkommen, ihre Sparmodelle und Geldanlagen. In Deutschland hingegen ist es ein äußerst privates Thema. Ich bin fast ein bisschen froh, dass das Thema private Schulden gerade in den Vordergrund rückt, weil alle Menschen von der Energiekrise und der hohen Inflation betroffen sind. Erst jetzt gibt es eine öffentliche Debatte darüber.

Das ist Susanne Krehl

Frau lächelnd vor blauem Bildschirm

Susanne Krehl ist Gründerin und Geschäftsführerin von Fabit. Mit einer verhaltensoptimierenden App setzt sich Fabit dafür ein, dass Menschen gesunde finanzielle Gewohnheiten entwickeln und ihre Finanzen aktiv in Fabit managen.
Als Managing Director Austria and Switzerland war sie für die Internationalisierung des Berliner FinTech Unternehmens viafintech verantwortlich und wurde 2018 mit dem Digital Female Leader Award geehrt. Susanne ist zudem Gründerin und Gastgeberin der Eventreihe FinTech Stammtisch Berlin und Botschafterin der FinTech Ladies.

Ein Hauskredit, das sind gute Schulden. Verpönt sind Konsumschulden.
Susanne Krehl, Fabit-Gründerin

Wird hier in Deutschland nicht auch sehr getrennt zwischen: Gute Schulden, schlechte Schulden?

Schulden sind per se nichts Schlechtes! Es gibt Situationen, in denen ich mir heute etwas finanzieren muss, was ich erst morgen abbezahlen kann. Ein Hauskredit, das sind gute Schulden. Damit baue ich mir etwas auf. Auch die Finanzierung von Gebrauchsgegenständen sind gute Schulden. Verpönt sind Konsumschulden.

Fabit hilft Menschen mit einer App, ihr Budget in den Griff zu bekommen. Sie beraten sie auch. Ein Großteil Ihrer User:innen kommt zu Ihnen mit Konsumschulden. Sie nennen ihr Start-up schon mal das „Weight Watchers der Finanzen“. Was verstehen Sie darunter?

Wir arbeiten mit einem verhaltenswissenschaftlichen Ansatz in der Finanzplanung.

Was heißt das?

Wir schauen auf den Umgang mit Geld, weil Finanzschwierigkeiten kein rein mathematisches Problem sind. Die Probleme entstehen zumeist durch einen falschen Umgang mit Geld. Es geht schlicht um die Gewohnheiten, die wir hinterfragen.

Geld ausgeben ist wie - Essen?

Essen ist für mich ein schönes Bild für unser komplettes Konsumverhalten. Wir bei Fabit sagen zum Beispiel nicht: Du darfst nie wieder Schokolade essen! Nein, Schokolade kann vielleicht sogar ein Bestandteil einer guten Ernährung sein, weil es manchmal auch um Genuss geht. Nur musst du definieren: Wie oft – und wie wichtig ist mir die Schokolade? So fragen wir Menschen mit Geldproblemen: Wie stehst du zu Krediten? Oder zu Ratenkäufen? Wie normal ist es für dich, am Monatsende im Dispo zu sein? Es geht um eine gesunde Basis.

Zu Ihnen kommen Menschen, die Hilfe benötigen, wegen Finanzproblemen. Sie bügeln Fehler aus. Um was geht es bei euren Gesprächen?

Es geht im ersten Schritt darum, die eigenen Finanzgewohnheiten zu verstehen. Unser Finanzverhalten ist stark von Gewohnheiten und Glaubenssätzen geprägt, die wir im Elternhaus vorgelebt bekamen. Es geht erst viel später darum, die Excel-Tabellen mit den Einnahmen und den Ausgaben zu studieren. Wir fragen am Anfang: Was ist Geld für dich – etwas Positives, etwas Negatives? Wie präsent ist Geld in Deinem Leben? Stößt Du jede Zahlung aktiv an oder laufen Deine Zahlungen im Hintergrund per Bankeinzug oder Ratenzahlung? Wofür gebe ich Geld aus? Gebe ich die Hälfte meines Einkommens für Miete aus oder kaufe ich drei Coffee-to-go am Tag? Ich selbst bin beim dritten Kaffee heute. So eine Gewohnheit summiert sich. Drei Kaffee, 15 Euro am Tag, 450 Euro im Monat. Viele von uns haben Finanzgewohnheiten, die nicht hinterfragt werden.

Können Sie Ihr Vorgehen verdeutlichen an einem Beispiel?

Ich hatte vor kurzem ein Gespräch mit einem Rettungssanitäter.

Gerade beim Taschengeld sind viele Eltern unsicher. Weil es emotional ist.
Susanne Krehl, Fabit-Geschäftsführerin

Was hat er für eine Gewohnheit?

Er kauft einen sehr, sehr großen Teil seiner Lebensmittel an der Tankstelle. Er ist ständig unterwegs – da passt der Tankstellen-Einkauf am besten und bequemsten in seinen Arbeitsalltag, seinen Schichtdienst. Seine Gewohnheit ist aber teuer erkauft. Das musste er sich erst einmal bewusst machen.

Wann bilden wir die ersten Finanzgewohnheiten aus? Mit sechs und dem ersten Taschengeld?

Ja, die ersten Finanzgewohnheiten übernehmen wir von unseren Eltern. Gerade beim Taschengeld sind viele Eltern unsicher. Weil es emotional ist. Es geht aus Kindersicht ganz banal um die Frage: Bekomme ich das Taschengeld zur freien Verfügung oder habe ich Einschränkungen, was ich davon kaufen darf?

Was raten Sie?

Zur freien Verfügung. Aber damit ist es nicht getan. Bekomme ich das Taschengeld für eine Woche, für einen Monat? Muss es in dem Zeitrahmen ausreichen? Der Klassiker ist doch, dass das Kind bei den Eltern betteln geht, wenn es vorzeitig alles ausgegeben hat. Wenn die Eltern da mitmachen, dann lernen Kinder, dass Geld ohne großen Aufwand immer zur Verfügung steht. Wenn sie allerdings die Erfahrung machen, dass sie noch zwei Wochen kein Geld mehr haben, weil alles schon verprasst ist, dann fangen sie an darüber nachzudenken, wofür sie das Geld jetzt ausgeben.

Wie war es bei Ihnen?

Ich habe als Teenager nix mehr bekommen, wenn es alle war. Ich habe früh angefangen, zu arbeiten. Babysitten, Nachhilfe geben, an der Supermarktkasse sitzen. Konzertkarten waren damals schon teuer. Ich habe gelernt: Geld hat einen Gegenwert in Zeit, die ich mit Arbeit verbringen muss. Es ist wichtig, solche Erfahrungen des Mangels zu machen, weil man dadurch auch lernt zu priorisieren.

In welchen Lebensphasen kann ich noch in Geldfallen laufen?

Der nächste Kipppunkt ist der Übertritt ins Erwachsenenleben. Der Auszug bei den Eltern! Da musst du lernen, dass es Ausgaben gibt, die einer Notwendigkeit folgen. Miete, Strom, Telefon. Dann kommen Dinge hinzu, mit denen kein Jugendlicher rechnet – zum Beispiel der Rundfunkbeitrag. Früher hieß das GEZ.

Die GEZ, einmal im Quartal.

Noch heute überrascht die GEZ so viele Menschen.

Warum lachen Sie?

Ich gehöre dazu. Es gibt Kosten, die man nicht auf dem Schirm hat. Eine schnöde Nebenkostenabrechnung. Oder die Stromnachzahlung. Oder wenn etwas kaputtgeht, der Kühlschrank oder die Waschmaschine, mit dem man nicht gerechnet hat. Das Budget hast du nicht in deinem normalen Monatsbudget. Das hast du dir zurückgelegt. Vielleicht.

Der Austritt aus dem Elternhaus heißt aber auch und völlig zurecht: Ich kann mit meinem Geld machen, was ich will. Das ist doch Freiheit!

Klar. Aber unsere Hauptklientel sind junge Menschen mit Konsumschulden. Viele machen sich nicht klar, dass sie mit der eigenen Wohnung, dem eigenen Konto erstmals auch Bonität nachweisen müssen.

Menschen können mit definitiv negativen Nachrichten viel besser umgehen als mit Unsicherheiten.
Susanne Krehl, Fabit-Geschäftsführerin

Warum passieren uns diese Fehler?

Finanzwissen ist Erfahrungswissen. Die Fehler macht man, weil es einem nicht beigebracht wurde. Die Eltern lassen es laufen, die Schulen kümmern sich nicht drum. Niemand erklärt einem, was ein Dispokredit ist und dass du ab dem ersten Euro im Minus schon Dispozinsen musst. Niemand erklärt einem, was ich mit einer Mahnung mache. Es ist für viele Menschen diffus, bedrohlich. Es gibt eine Ambiguitätstoleranz.

Was ist das?

Menschen können mit definitiv negativen Nachrichten viel besser umgehen als mit Unsicherheiten. Eine Mahnung ist eine negative Nachricht, die aber mit so viel Unsicherheit verbunden ist. Wie geht es jetzt weiter? Unsicherheit zieht häufig Verdrängung nach sich. Dann greift die Vogel-Strauß-Methode.

Wir verdrängen die offenen Rechnungen und Schulden – und fühlen uns mit dem Kopf im Sand besser?

Ja. Viele erkennen überhaupt nicht an, dass sie Schulden haben, dass diese Zahlen auf dem Kontoauszug Realität sind. In den schweren Fällen öffnen Menschen einfach die Post nicht mehr. Sie gehen nicht mal mehr zum Briefkasten. Das Schlimme an Schulden ist aber, dass sie mehr werden, wenn man sich nicht damit beschäftigt. Wir merken, dass die psychologische Belastung an dem Punkt am größten ist, wenn wir die Schuldenaufstellung komplett gemacht haben.

Was passiert dann?

Da steht: 6798,45 Euro Schulden! Dann ist der Schockmoment am größten. Das ist gleichzeitig der Moment der Erleichterung: Okay, da steht es ganz konkret, das kann ich jetzt bearbeiten.

Und das ist der Punkt, wo es die Menschen dann besser machen?

Da fängt die Arbeit an. Statistisch gesehen ist es so, dass man gut 60 Tage braucht, um eine neue Gewohnheit zu etablieren. Wenn man sich vornimmt: Ich mache jetzt jeden Morgen zehn Liegestütze! Dann musst Du das 60 Tage lang jeden Tag machen, bis das zur neuen Gewohnheit wird. Dann hörst Du am 61. Tag nicht mehr damit auf.

Was sind die zehn Liegestütze im Finanzverhalten?

Beispielsweise eine Spar-Challenge.

Weil ich an Silvester diesen Vorsatz gefasst habe.

Du machst, sagen wir, eine 52-Wochen-Challenge. In der ersten KW legst du einen Euro weg, in der zweiten KW dann zwei und so weiter – bis zur 52. Woche mit dann 52 Euro. Dann stellt sich in dieser Challenge eine Gewohnheit ein.

Was ist die Psychologie dahinter?

Es klappt aus zwei Gründen: Erstens hast Du ganz konkrete Ziele – sonst bringen sie nichts, weil sie nicht in den Automatismus übergehen. Zweitens motivieren solche Challenges ungemein, weil du Dir jede Woche ein Erfolgserlebnis abholst. Das wird zur Gewohnheit. Denn du willst das Glücksgefühl nicht mehr aufgeben.

Das Glücksgefühl ist am Ende wie hoch?

Du kannst dir damit schon einen Urlaub finanzieren: 1378 Euro.

Das ist Fabit

Fabit Logo

Die Fabit App ist eine Lösung für Menschen, die Schwierigkeiten haben, ihre Finanzen zu managen. Die Digital-Plattform unterstützt sie dabei, nachhaltiger mit Geld umzugehen und ein gesundes Finanzverhalten aufzubauen. Dafür kombiniert Fabit anlassbezogene Finanzbildung, aktive Finanzhilfe im Alltag und eine verhaltenswissenschaftliche Herangehensweise, um die Nutzer:innen langfristig bei ihren Zielen zu unterstützen. Die kostenlose App beinhaltet ein Haushaltsbuch, Budgetplanung, die Möglichkeit Schulden sowie Gläubiger inkl. Kommunikation zu hinterlegen, anlassbezogenes Finanzwissen sowie über 100 Tipps und Missionen, die dabei helfen, Finanzgewohnheiten zu hinterfragen und zu optimieren. Die hinter Fabit stehende Fabit GmbH wurde 2021 von Dr. Ralf-Michael Schmidt, Robert Heim und Susanne Krehl in Berlin gegründet. Die SCHUFA und Fabit gingen 2022 eine Content-Partnerschaft ein.

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